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Schulkonzentration (1966)

Ende 1966 wurden nachfolgende 2 Briefe an die Eltern in Wanlo verschickt.
Brief 1:
GEMEINDE WICKRATH
DER GEMEINDEDIREKTOR
Gemeindeverwaltung 4072 Wickrath (Niers) o Postfach 60

12. Oktober 1966

Betrifft:

Sehr geehrte Eltern,
wie Sie vermutlich aus der Tageszeitung erfahren haben, hat der Rat der Gemeinde Wickrath beschlossen, die Kinder des 7. bis 9, Schuljahres zentral an der kath. oder evang. Schule in Wickrath zu unterrichten. Dieser Beschluß ist gefaßt worden aufgrund eines Erlasses des Kultusministers vom 23.2.1966. Ziel dieser ministeriellen Verfügung ist, auch im Land Nordrhein - Westfalen eine Hauptschule einzurichten. Diese Hauptschule, die später einmal die Jahrgänge 5 - 9 umfassen soll, hat die Aufgabe, den Kindern, die nicht zur Realschule oder zum Gymnasium gehen, ein größeres Wissen, insbesondere auch in naturkundlichen, technischen und sprachlichen Fächern, zu vermitteln. Dieser verbesserte Unterricht soll in Jahrgangsklassen und Arbeitsgemeinschaften durchgeführt werden. Der Kultusminister leitet damit: eine Schulreform ein, die in anderen Ländern zum Teil schon vor Jahren und mit gutem Erfolg durchgeführt worden ist.

Voraussetzung dafür, daß die Zusammenfassung der Jahrgänge 7 -- 9 - tatsächlich erfolgt, ist jedoch die Bereitstellung der notwendigen Lehrkräfte. Ich habe inzwischen eine Eingabe an den Schulrat und an das Kultusministerium gemacht und darin gebeten, uns weitere Lehrer zuzuweisen.

Soweit es möglich ist, soll der Transport mit Linienbussen erfolgen, wobei anzunehmen ist, daß die Transportkosten von der Gemeinde übernommen werden. Wir halten die Fahrt mit Linienbussen für vertretbar, weil es sich in der Regel um 12 - 15jährice Kinder handelt. Soweit kein geeigneter Linienverkehr vorhanden ist, werden Schülerbusse eingesetzt. Es laufen z.Zt. Verhandlungen mit dem Kreis, daß für Realschule und Hauptschule ein gemeinsamer Schülerbusverkehr eingerichtet wird.

Da Ihr Kind ………. von der Schulkonzentration betroffen wird, gebe ich ihnen heute schon von der bevorstehenden Änderung Nachricht.

Ich werde über weitere Einzelheiten noch rechtzeitig unterrichten.

Es ist Rat und Verwaltung bekannt, daß die Zusammenlegung der Klassen vielfach auf Unverständnis und Ablehnung stößt. Es ist an sich nicht die Aufgabe einer Gemeindeverwaltung, den Sinn einer landespolitischen Maßnahme zu erläutern. Ich bitte aber trotzdem, einmal zu erwägen, daß die Schulkonzentration nicht deswegen durchgeführt wird, um die Eigenständigkeit der Dörfer zu vermindern und die Familien zu belasten. Sie wird vielmehr in Angriff genommen weil wir die Aufgaben unserer Industriegesellschaft mit den herkömmlichen Bildungsmitteln nicht mehr erfüllen können. Das Ausland hat viel früher begonnen und besitzt heute schon einen beachtlichen Bildungsvorsprung. Wir müssen alle etwas tun, um die gute Entwicklung von Volk und Gesellschaft zu gewährleisten. Und zu dieser Gewährleistung gehört auch die Verbesserung des Schulsystems.

Ich, weiß nicht, was Sie davon halten. Für den Fall, daß Sie aber der Meinung sind, es müsse alles beim Alten bleiben, möchte ich Sie doch bitten, die vorstehenden Darlegungen einmal zu überdenken und den Beschluß des Rates vielleicht doch nach besten Kräften zu unterstützen.

Mit freundlichem Gruß


Brief 2:
GEMEINDE WICKRATH
DER GEMEINDEDIREKTOR

Gemeindeverwaltung 4072 Wickrath (Niers) o Postfach 60
15. November 1966

Betrifft: Schulkonzentration

Sehr geehrte Eltern,
im Nachgang zu meinem ersten Rundschreiben muß ich mitteilen, daß die Schulaufsichtsbehörde nicht in der Lage gewesen ist, die für die Teilkonzentration der Jahrgänge 7 - 9 erforderlichen Lehrkräfte zur Verfügung zu stellen.

Aus diesem Grunde ist es nicht möglich, bereits am 1.12.1966 die ganze Oberstufe zusammenzuführen. Ab 1.12.1966 wird lediglich versucht, das gesamte 9. Schuljahr in Wickrath zu unterrichten. Das 7, u. 8. Schuljahr verbleibt noch auf den Dorfschulen.

Der Mangel an Lehrpersonal ist auch deswegen so groß, weil die Gemeinden bei Einrichtung von Zentralschulen noch auf halbem Wege stehengeblieben sind und die Zwergschulen nicht aufgelöst haben.

Soweit Sie ein Kind haben, das ab 1.12.1966 in das 9. Schuljahr versetzt wird, bitte ich Sie, sich darauf einzurichten, daß es entweder die kath. oder die evang. Volksschule in Wickrath besuchen wird. Einzelheiten werden Ihnen noch mitgeteilt, Die Fahrtkosten werden, vorbehaltlich der Zustimmung des Hauptausschusses, von der Gemeinde übernommen.

Den Eltern der Kinder des 7, u. B. Schuljahres möchte ich noch sagen, daß die Konzentration sobald wie möglich nachgeholt werden muß.

Ich bin nun verschiedentlich gebeten worden, auf die Ortschaften zu kommen und dort das Schulproblem zu besprechen. Bislang hat mir hierfür jegliche Zeit gefehlt. Es muß auch mit ganz besonderem Nachdruck darauf hingewiesen werden, daß die Schulreform Aufgabe des Staates und nicht der Gemeinde ist. Das Land NW ist nach Artikel 8,1 seiner Verfassung dafür verantwortlich, daß das Schulwesen den kulturellen und sozialen Bedürfnissen des Landes entspricht. Deswegen sind auch die Staatsbehörden und nicht die Gemeinden verpflichtet, Aufklärungsarbeit zu leisten. Die Gemeinde hat nur die Aufgabe, im Rahmen der gesetzl. Bestimmungen entsprechende Schulbezirke zu bilden und Schulgebäude bereitzustellen. Trotzdem wird von mir erwogen, vor einer Zusammenfassung der Jahrgänge 7 und 8 oder vor weitergehenden Schulreformmaßnahmen einen generellen Erörterungstermin mit den betroffenen Eltern anzusetzen. Darüber erhalten Sie noch weiteren Bescheid.

Mit freundlichem Gruß


Herrn
Hauptlehrer Küppers
Wanlo
zur gefl. Kenntnisnahme übersandt.
Ich bitte Sie, die Konzentration des 9. Schuljahres zum 1.12.1966 vorzubereiten.


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